Die Märkte erfordern wachsende Leistung, klimatische Veränderungen schaffen neue Bedingungen, Umweltschäden und entsprechende gesetzliche Regelungen machen ein Umdenken nötig: Die landwirtschaftliche Produktion befindet sich im Umbruch. Kultivierte Nutzpflanzen sind häufig nicht ausreichend resistent gegen die steigenden Belastungen etwa durch vermehrte Trockenheit oder einen Mangel an Mineralien, durch Schädlinge oder Krankheitserreger. Exotische Verwandte der heimischen bzw. hier angebauten Arten können dagegen Allele, also Varianten eines Gens, enthalten, die die Anpassung an solche biotischen und abiotischen Belastungen regeln und in einer Neuzüchtung leistungsstärkere und widerstandsfähigere Pflanzen hervorbringen.
Die Hilfe aus der Ferne ist jedoch – bisher – aufwändig: Erst im Labor zeigt sich, welche der ausgewählten wilden Verwandten, die vor allem im Bereich des »fruchtbaren Halbmondes« im vorderen Orient gedeihen, potenziell die gesuchten Eigenschaften haben. Verlässlich sind auch diese Aussagen wiederum nur bedingt, denn etliche Faktoren auf dem Feld, wie die Bodenbeschaffenheit oder klimatische Bedingungen und der Einsatz von Düngemitteln, beeinflussen die Ergebnisse in der Praxis.
Im Forschungsvorhaben »Barley Biodiversity« werden nicht-invasive Verfahren zur Analyse geeigneter Linien entwickelt, die Aufschluss über genotypische Eigenschaften geben und eine Selektion unter Feldbedingungen erlauben. Das Ziel ist es, die genetische Vielfalt und die Leistung von Kulturgerstensorten durch die Einkreuzung exotischer Wildgersten zu steigern. Neben der verbesserten Resistenz der Pflanzen gegen Stress und der Anpassungsfähigkeit stehen Aspekte wie die Erhöhung der Stickstoff-Effizienz oder eine optimierte Malzqualität im Vordergrund.
Zwei Populationen für die Forschung
Geforscht wird an zwei Populationen, die eigens für das Projekt phäno- sowie genotypisiert wurden. Beide Populationen werden in Feldversuchen angebaut und unterschiedlichen Bedingungen ausgesetzt: Einige Pflanzen erfahren extreme Trockenheit, andere werden mit Pflanzenschutzmitteln oder Stickstoffdüngern behandelt, während wieder andere davon frei bleiben. Genotypische ebenso wie statistische Analysen geben Aufschluss über Eigenschaften der Gerste, die sich auf bestimmte Genorte oder Gene zurückführen lassen. Ein Wissen, anhand dessen exakt jene Gene identifiziert werden können, welche die für eine bestimmte Umgebung gewünschten agronomischen Eigenschaften hervorbringen.
Mit der Sensorik können wir unterschiedliche Ernährungszustände beleuchten und auch Krankheiten erkennen, bevor sie äußerlich sichtbar werden und es für eine Behandlung oft zu spät ist.
Prof. Udo Seiffert, Projektleiter, Fraunhofer IFF
Verfahren zur Leistungsprognose
Zur Bestimmung der Inhaltsstoffe und frühzeitigen Vorhersage der zu erwartenden Leistung der Pflanzen entwickelte das Fraunhofer IFF spezielle Modellierungsverfahren. Mit dem AgRover, einem geländegängigen Gefährt, werden die 3.000 Gerste-Parzellen in Halle regelmäßig durchfahren. Das Fahrzeug verfügt über Kameras und Instrumente, mit denen durch spektraloptische Messungen quantitative Hyperspektraldaten erfasst werden.
Anhand der reflektierten Wellenlängen kann die biochemische Zusammensetzung, über den bereits seit Jahren mit kommerziell erhältlichen optischen Sensoren zugänglichen Stickstoffgehalt in den Blättern, direkt ermittelt werden – ohne Entnahme einer Probe, ohne Untersuchung im Labor.
Das Kooperationsprojekt kann zwei Jahre vor dem Erreichen der gesetzten Ziellinie bereits eine Reihe an Teilerfolgen verbuchen. So konnten Gene bzw. Marker identifiziert werden, die die Entwicklung und die Leistung der Gerstenpflanzen unter unterschiedlichen Bedingungen verbessern. Mit Hilfe der spektralen Bildgebungsverfahren hat das Forschungsteam Mikronährstoffe wie Eisen oder Zink und den Gehalt an Stickstoff oder Metaboliten sehr präzise vorhersagen können – zum Teil mit einer Genauigkeit von 90 Prozent.
(Text gekürzt. Den vollständigen Artikel finden Sie in IFFOCUS »Digitaler Zwilling: Engineering der Zukunft«.)