Der Standort von Rolls Royce im brandenburgischen Dahlewitz ist das Kompetenzzentrum für Zweiwellentriebwerke im Konzern. Hier werden die leistungsstarken Pearl Triebwerke gefertigt, hier entsteht die Baureihe BR700, die je nach Variante vom Privatflugzeug bis zum kleineren Linienflugzeug eingesetzt wird. Etwa 3.600 Business Jets fliegen aktuell mit Triebwerken von Rolls Royce – und machen das Unternehmen zum weltweit führenden Anbieter in diesem Markt.
Personaleinsatzplanung: Eine komplexe Gleichung mit Unbekannten
Wie viele andere Unternehmen steht aber auch der Traditionsbetrieb vor der Herausforderung, dass die Produktions- und Leistungsanforderungen immer variabler werden. Das beeinflusst auch die Planung für den Personaleinsatz, die infolgedessen stetig komplexer wird. Darauf wollten die Verantwortlichen des Betriebes reagieren und traten an die Logistikexperten des Magdeburger Fraunhofer IFF heran, um gemeinsam eine Lösung für dieses Problem zu finden. Zusammen mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Instituts entstand schließlich eine individuell auf die Bedürfnisse des Unternehmens zugeschnittene digitale Plattform für eine flexible, interessengerechte und transparente Personaleinsatzplanung.
Ziel dieser neuen Lösung war es, personelle Kapazitäten optimal zu nutzen und zugleich die Bedürfnisse der Mitarbeitenden im fordernden Schichtbetrieb stärker in den Fokus zu rücken. In vielen Betrieben wird das durch fehlende IT-Unterstützung und heterogene Datenstrukturen erschwert. »In der Praxis werden oft noch das klassische Shopfloor Board oder auch eine Excel-Liste genutzt, die für diese Anforderungen aber meist nicht ausreichen«, berichtet IFF-Projektleiter Sebastian Häberer. Logistik sei zudem eine Gleichung mit vielen Variablen, ergänzt Heiko Witte, Business Development Consultant bei Rolls Royce. Nicht selten arbeiten die Teams in den Hallen des Luftfahrtunternehmens an 20 Triebwerken zur gleichen Zeit. »Gerade in größeren Betrieben zeigt sich meist, dass es die eine Lösung für die Aufgabe der Personaleinsatzplanung nicht fertig gibt.«
Die Plattform ›Digital-kollaborative Personaleinsatzplanung‹ ermöglicht einen dynamischen Abgleich von betrieblichem Bedarf und Verfügbarkeit der Fachkräfte. Sie macht die aktuelle und bevorstehende Auslastung sichtbar, berücksichtigt die betrieblichen Anforderungen und synchronisiert diese mit individuellen Schichtplänen, Qualifikationen und Interessen von Mitarbeitenden.
Der komplexen Problemstellung begegnete das Team im Projekt »Digital-kollaborative Personaleinsatzplanung«, kurz DoPEP, mit einem Vorgehen, das die verschiedenen Planungsperspektiven einbezog. Um die Abhängigkeiten der Prozesse im Unternehmen zu verstehen und Potenziale zu identifizieren, wurden zunächst der IST-Zustand mittels Business Process Modelling and Notation (BPMN) dargestellt, Qualifikationen und Zertifizierungen der Mitarbeitenden sowie betriebliche Bedingungen und das IT-Framework erfasst.
Flexible Einsatzmöglichkeiten statt starrem Schichtdienst
Die Konzeption für eine individuelle Software, die auf dieser Basis Schritt für Schritt entwickelt wurde, band alle Akteure mit ein – von Shopfloor-Mitarbeitenden über Teamleitende bis hin zu Betriebsrat und Management – und blieb nah an der Praxis. »Das integrierte Tool folgt der Logik, die von Team- oder Schichtleitern so oder ähnlich genutzt wurde«, erläutert Georg Schröder, Operativer Fertigungsleiter bei Rolls Royce, der die neue Lösung mit seinem Team als Hauptanwender nutzt. Außerdem wurde eine Sozialwissenschaftlerin ins Team integriert, um die Bedürfnisse der Belegschaft einzuordnen. Denn »aus Sicht der Shopfloor-Mitarbeitenden ist ein zunehmender Wunsch nach mehr Mitbestimmung und Zeitsouveränität bei der Gestaltung von Schicht- und Dienstplänen wahrzunehmen«, so Sebastian Häberer.
Die Pandemie, die eine veränderte Auslastung, Faktoren wie Kurzarbeit und Probleme mit einer starren Schichtarbeit mit sich brachte, wirkte zudem wie ein Katalysator. Sie zeigte die Erfordernisse im Bereich einer zu verändernden Personaleinsatzplanung überdeutlich auf. »Uns war klar, wenn wir die Anforderungen und Kapazitäten formalisiert und hinterlegt mit einer Skill-Matrix in einem Tool umsetzen, dann haben wir einen integrierten Standard, der direkt aus dem Team kommt: Einen Ausgleichspool mit Personalbedarf und -angebot, verteilt über die Fähigkeiten«, so Heiko Witte.
Präzises Reagieren auf dynamische Entwicklungen
Nur vier Monate nach dem Projektstart konnte bereits der erste Prototyp getestet werden. Nach zwölf Monaten war eine Betaversion einsatzbereit, die bereits die gesamte Schichtplanung für etwa 200 Mitarbeitende abbildete. Prüflizenzen, Zertifizierungen und spezielle Schulungen der Beschäftigten wurden in der Skillmatrix hinterlegt, die Kategorien und Formulierungen so angelegt, dass sie für alle Beteiligten greifen und Einheitlichkeit schaffen. »Über eine mathematische Optimierung versuchen wir damit, eine möglichst gute Übereinstimmung aller eingesetzten Fachkräfte in der Initialplanung herzustellen«, so Sebastian Häberer. Kurzfristig muss diese immer wieder an die Realität angepasst werden. Produktionsabläufe sind naturgemäß störanfällig: Durch fehlendes Material, den Ausfall von Maschinen oder Erkrankungen der Mitarbeitenden stockt der Prozess, während an anderer Stelle etwa durch plötzliche Eilaufträge Personal fehlt. »Wir erkennen die Auswirkungen jetzt unmittelbar und sehen, ob wir das laufen lassen können oder gegensteuern müssen«, so Georg Schröder.
Digitale Plattform für die transparente und flexible Personaleinsatzplanung »DoPEP«
Sich dynamisch verändernde Kundenbedarfe machen die Personaleinsatzplanung zu einer komplexen Aufgabe. Einerseits sollen vorhandene Kapazitäten sinnvoll ausgelastet, andererseits die Einflüsse der Personaleinsatzplanung auf Motivation und Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden bestmöglich gestaltet werden. Das Fraunhofer IFF hat mit der Rolls-Royce Deutschland Ltd. & Co.KG im Vorhaben »Digital-kollaborative Personaleinsatzplanung (DoPEP)« eine integrative Web-Anwendung entwickelt, die eine verlässliche Planung des Personaleinsatzes im operativen Tagesgeschäft gewährleistet.
Die Plattform berücksichtigt die Anforderungen der Programmplanung und synchronisiert diese mit Schichtplänen und individuellen Qualifikationen von Mitarbeitenden. Die betrieblichen Akteure können potenzielle Ziel- und Interessenkonflikte transparent aushandeln. Mit der Einführung der Plattform konnten Abstimmungsaufwände reduziert und die Arbeitsproduktivität eingebundener Teams um bis zu 20 Prozent erhöht werden. Über die intuitiv navigierbare Benutzeroberfläche ist das System für alle Anwendenden leicht verständlich und ermöglicht speziell bei ungeplanten Ereignissen eine hohe Reaktionsfähigkeit.
Mit der neuen Plattform haben die Einsatzplanenden nun unmittelbar Zugriff auf die hinterlegten Verfügbarkeiten passend qualifizierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, können diese bedarfsgerecht einsetzen und Abstimmungsaufwände reduzieren. Die intuitive Oberfläche macht die Anwendung denkbar leicht. »Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind zur rechten Zeit am rechten Ort«, so Heiko Witte. Der sinnhafte Einsatz der Kolleginnen und Kollegen ist auch für Georg Schröder ein Pluspunkt des Tools, drücke er doch Wertschätzung aus. »Wir können zielgerichtet nach jemandem suchen, der eine bestimmte Qualifikation hat.« Die Produktivität steige durch den Einsatz der Lösung signifikant.
Höhere Attraktivität als Arbeitgeber
»Eine vorausschauende Steuerung des Personaleinsatzes ist ein entscheidender Faktor für den Unternehmenserfolg«, erklärt Sebastian Häberer. Mit der Plattform wird es Betrieben möglich, an geeigneten Hebeln anzusetzen. Sie gewinnen beispielsweise zugleich einen umfassenden Überblick über die vorhandenen Qualifikationen ihrer Mitarbeitenden. Das ermöglicht ihnen das langfristige Planen notwendiger Weiterbildungsmaßnahmen. Das Zusammenführen unternehmerischer Ziele und der Wünsche und Belange der Mitarbeitenden birgt weitreichendes Potenzial. Denn für viele Unternehmen, insbesondere für solche mit Schichtbetrieb, ist es eine große Herausforderung, qualifiziertes Personal zu finden und zu halten. Das weiß auch Sebastian Häberer: »Das Tool stellt für Unternehmen eine Chance dar, die Attraktivität von Schichtarbeit real zu steigern.«